Der Leerplan 2.0. „Das Wartezimmer“

Geht es noch schlimmer? Nein! Nur anders!

Morgen ist Montag. Meine Tochter bereitet ihr Hausaufgabenheft vor. Einschreiben muss sie nur das Datum und sie muss die Ecke abschneiden, denn: Sie hat keinen Stundenplan.

Wozu auch?

Seit 4 Monaten hängt die 2. Klasse der Grundschule Dabrun in der Warteschleife.

Worauf warten wir?

Auf das nächste Schuljahr. Dann versuchen wir es noch einmal mit der 2. Klasse. Alles auf Anfang bitte.

Bis dahin brauchen wir aber Lehrer. Darum tätigte ich zwischenzeitlich unzählige Anrufe beim Schulamt  und erhielt  (wenn ich nicht gerade in der Warteschleife hing) Antworten wie: „nicht zuständig“, „keine Auskunft“ bis hin zu: „3 Lehrer für 72 Schüler sind genug“. Die Briefe an das Landesschulamt wurden bisher nie schriftlich beantwortet. Mein letzter Brief ging an Herrn Tullner (Minister für Bildung in Sachsen-Anhalt) im Dezember. Bisher gab es auch hier keine Antwort. Hier der Inhalt in Auszügen:

Sehr geehrter Herr Minister!
Wie halten wir es mit unseren Kindern?
Als Mutter von 3 Kindern erschüttert es mich zunehmend erleben zu müssen, wie unser Staat nicht mehr in der Lage ist, seiner Aufgabe zur Vermittlung von Bildung nachzukommen.

Zwei meiner Kinder besuchen die Grundschule Dabrun (Stadt Kemberg, Landkreis Wittenberg).
Seit Beginn des Schuljahres 2018 ist die Situation nicht mehr hinnehmbar. Fehlende Lehrer und pädagogische Mitarbeiter sind der Grund dafür, dass Kinder nicht unterrichtet werden.

An der Grundschule Dabrun gibt es seit Beginn des Schuljahres 3 Lehrer für 4 Klassen. Pädagogische Mitarbeiter gibt es keine mehr. 2 Stellenausschreibungen blieben erfolglos trotz Bewerber. (…)

Seit Wochen hat meine Tochter keinen Stundenplan, das Hausaufgabenheft gähnt vor Leere.

Mittlerweile fällt natürlich auf, dass die Kinder auch fachlich Defizite haben. Meine Meinung ist, dass die 2. Klasse nicht versetzungsfähig ist, denn seit Ende der 1. Klasse haben sie kaum neuen Stoff gelernt. Die Lernmaterialien der 2. Klasse wurden kaum genutzt.
Nun bin ich auf der Suche nach einer Nachhilfelehrerin, aber auch diese wird den fehlenden Stoff an 2 Nachmittagen in der Woche nicht nachholen können. Zudem kostet mich der Unterricht ca. 150 € im Monat und die Zeit geht von der Freizeit meiner Tochter ab.
Sie wird „beaufsichtigt“ in Schule und Hort und steht nicht auf der Straße.

Das Schulamt ist von meinen zahlreichen Anrufen wahrscheinlich schon reichlich genervt, versichert mir aber nur, dass man die Situation nicht ändern könnte und dass man versuche die Stelle zu besetzen aber eigentlich 3 Lehrer für die Schule ausreichen! Das tun sie nicht. Durch Inklusion  (…) besteht ein erhöhter Bedarf an Lehrern und pädagogischen Mitarbeitern.

Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft meiner Kinder und unserer Gesellschaft.
In den letzten Monaten habe ich hautnah das System der Stellenausschreibung miterlebt. Wenn eine Notsituation besteht (was wohl unbestritten der Fall ist), kann man nicht nur für bestimmte Zeiten das Bewerbungsfenster öffnen (wo sich leider keiner meldet) sondern muss ständig akquirieren.
Die Argumentation des Verwaltungsamtes, „wir haben unsere gesetzlichen Vorschriften“ kann ich nicht gelten lassen. Wir haben eine Notsituation. Da muss man auch besondere Wege öffnen und gehen.

Mit Ende des Schuljahres geht die nächste Lehrerin planmäßig in Rente.
Dann sind es nur noch 2 Lehrer für 4 Klassen!
Nach meinen Erfahrungen wird die Stelle sicherlich pünktlich im August ausgeschrieben, voraussichtlich ohne Ergebnis.

Ich kämpfe für die Bildung meiner Kinder. (…)

Sie haben persönlich die aktuelle untragbare Situation nicht herbeigeführt.
Ihre Partei hat aber über Jahre den Kurs mitgetragen.
(…)
Viele Kinder haben später Nachteile aufgrund des derzeitigen Schulsystems und werden sicherlich wirtschaftlich nicht sehr hilfreich sein können.

Wir sind eine „strukturschwache“ Region, ja. Wir haben Fachkräftemangel, ja. Und?

Wir machen weiter so? Nein. Ich vertraue auf Sie. Bitte nehmen Sie sich dieser Sache an.

Ich weiß, dass Sie sich keine Lehrer backen können und das, was über Jahre versäumt wurde nicht von heute auf morgen geändert werden kann.
Ich erwarte aber, dass Lösungen gefunden werden, die eine ordnungsgemäße Beschulung nicht nur meiner Kinder sichert.
Dafür sind Sie gewählt, das ist Ihr Auftrag.

(…)

Der Minister wird auch hier nicht antworten. Was soll er auch sagen.

Und nun?

Martha besucht eine Nachhilfelehrerin nachmittags. Mein Gewissen ist etwas beruhigt. Mein schlechtes Gewissen, dass sie nichts lernt und ich es ihr nicht beibringen kann.

Weitere Möglichkeiten?

Ich melde mein Kind um!

Dann kann ich sie auf eine andere Schule bringen. In der Stadt Kemberg gibt es ein paar 2. Klassen die noch Kapazitäten frei hätten. Aber ich mache mich strafbar, wenn ich das täte.

Ich nehme mein Kind von der Schule und bringe sie zu einem Privatlehrer. Auch strafbar!

Ich gebe meinen Beruf auf und unterrichte ehrenamtlich und illegal an der Schule meiner Kinder. Diese Lösung gefällt dem Landesschulamt sicherlich am besten. Mir nicht wirklich.

Also warten wir weiter…?

(Juliane Gucinski)

Kommentare unter: info@wartenburg.de

Kommentare:

Sehr ergreifender Artikel, er muss verbreitet werden, in den Netzwerken und sozialen Medien, dass das ganze Land auf dieses Desaster aufmerksam wird. Es muss sich JETZT etwas ändern. Es geht um uns, um unsere Kinder, um unsere Zukunft.
Ich wünsche den betroffenen Eltern und Kndern, dass sie nicht den Mut verlieren, sich gegenseitig unterstützen und, dass sie Gehör finden.
Rita Burkhardt

Liebe Fr. Gucinski,
Ich stimme ihnen zu, die Zustände sind unhaltbar. Die Aussage: “3 Lehrer sind genug” ist eine bodenlose Frechheit. Die Kinder haben ein Recht auf Bildung und das heißt Unterricht und nicht nur die Beschäftigungstherapie. Ich werde sie so gut ich kann tatkräftig unterstützen.
Mit Freundlichen Grüßen Nico Witteborn

 

 

GRundschuleDabrun

Der Leerplan 2.0. „Das Wartezimmer“

21. Januar 2019

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