Schlacht bei Wartenburg

Als die restlichen Truppen der geschlagenen französischen Armee aus dem Russlandfeldzug Napoleons Anfang Dezember 1812 zurückkehrten und preußischen Boden erreichten, wurde es Zeit zu handeln.

Am 30.12.1812 schloss der neue kommandierende General des im Memelgebiet operierenden preußischen Hilfskorps der Grande Armée, Johann David Ludwig von Yorck, in der Mühle von Poscherun mit dem russischen General Hans Karl von Diebitsch einen Waffenstillstand. In dieser Konvention von Tauroggen verpflichtete sich Preußen zur Neutralität, aber viele verstanden es schon richtig als Signal kommender Befreiungskriege. Doch erst am 17. März 1813 erklärte der preußische König Friedrich Wilhelm III., nach einem Treffen mit dem russischen Zar Alexander I. und mit der Unterzeichnung des ersehnten Aufrufs „An Mein Volk“, dem napoleonischen Frankreich den Krieg. Schnell wurden nun neu geschaffene preußische Einheiten aufgestellt, vor allem die Landwehr und der Landsturm, daneben aber auch Freiwillige Jäger und Freikorps. Im nun folgenden Frühjahrsfeldzug, unter Führung Russlands, zahlten die neuen Verbündeten in den Schlachten von Möckern, Großgörschen und Bautzen vorerst blutiges Lehrgeld. Einen Waffenstillstand nahm auch Napoleon dankbar an, um seine Truppen zu verstärken. In Vorbereitung des Herbstfeldzuges der Verbündeten wurden Schweden und Österreich als
neue Mächte gewonnen. Mit drei großen Armeen sollte Napoleon endgültig bezwungen werden 
–    der Nordarmee unter dem schwedischen Kronprinzen Karl Johann (Bernadotte).
–    der Schlesischen Armee unter dem preußischen General Gebhard Leberecht von Blücher
–    der Böhmischen Armee unter dem österreichischen Feldmarschall Karl Philipp zu Schwarzenberg
Schwarzenberg war auch gleichzeitig Oberbefehlshaber der verbündeten Streitkräfte. In den Schlachten bei Großbeeren, an der Katzbach, bei Kulm und Dennewitz setzten sich nun Heldenmut und Tapferkeit durch. So auch in der Schlacht von Wartenburg.

Der Plan zur Schlacht bei Wartenburg an der Elbe entstand im Hauptquartier der Schlesischen
Armee unter General Gebhard Leberecht von Blücher bei Bautzen. Der Entschluss zu diesem Unternehmen, entworfen vom genialen Kopf August Neidhart von Gneisenau, war kühn. Es handelte sich um ein Wagnis, denn es sah den raschen Rechtsabmarsch und den Übergang über die Elbe der Hauptmacht der Schlesischen Armee vor, ohne dass Napoleon in Dresden davon erfahren sollte. In der Morgendämmerung des 26. September 1813 marschierten preußische und russische
Kolonnen nach Nordwesten in Richtung Elsterwerda ab. Am nächsten Tag folgte Blücher mit dem Hauptquartier dem Vormarsch, der Königsbrück schon hinter sich gelassen hatte. In sieben Tagen erreichte die Armee die untere Elster hinter Jessen, nachdem sie 150 Kilometer zurückgelegt hatte. Am Nachmittag des 2. Oktober trafen die Führer der einzelnen Armeeeinheiten zur entscheidenden strategischen Beratung zusammen. Gneisenau hatte den geeigneten Platz zum Brückenschlag für den Elbübergang festgelegt – dort wo die Elbe, nach Aufnahme der Elster, eine Biegung nach Nordosten macht, nahe dem Dorf Elster.


Der Elbbogen umfließt eine Halbinsel, die von den Ortschaften Bleddin bis nördlich Wartenburg durch einen Damm abgeschlossen und von Bächen, toten Wasserarmen und Sumpfstellen durchschnitten, aber auch von Gebüschen und größeren Baumbeständen bedeckt war. Noch während der Nacht wurden von Elster aus zwei Brücken geschlagen. Gegenüber befand sich noch ein preußischer Brückenkopf, der zum Schutz einer früheren Schiffbrücke angelegt worden war. Im  Zeitraum von Mitte September bis zum 1. Oktober gab es verschiedene Versuche von preußischen Truppen der Nordarmee diese Elbstelle zu überwinden. Zeitweilig war Wartenburg sogar von preußischen Soldaten besetzt. Jedoch gelang es den französischen Truppen, die Preußen zum Rückzug zu zwingen.

Am Morgen des 3. Oktober 1813, noch in der tiefen Dämmerung, begannen sich die Truppen des I. preußischen Armeekorps unter dem Befehlshaber Generalleutnant von Yorck von Jessen aus nach Elster in Marsch zu setzen. Die 2. Brigade mit über 4.000 Mann und 13 Geschützen führte Generalmajor Prinz Karl von Mecklenburg-Strelitz an. Auf der ersten Brücke wurde er von Gneisenau empfangen, der ihm die Weisung erteilte, das – wie er glaubte – nicht stark besetzte Wartenburg zügig zu nehmen. Die Annahme erwies sich als Irrtum. Das Dorf hatte starke Besatzung. Unter dem französischen Befehlshaber Divisionsgeneral Graf Bertrand standen erfahrene Generäle, die bereit waren mit über 12.000 Mann Infanterie, 32 gut platzierten Geschützen und fast 700 Mann Kavallerie, die über 5 km lange festungsartige Verteidigungslinie zu halten, die Preußen abzuweisen und wenn notwendig, anzugreifen. Aber auch Bertrand, der den Beginn der Schlacht vom Schloss aus beobachtete, dann am südlichen Ausgang des Ortes im Haus des Kossäten Ludwig befehligte, wird sich irren. Vorerst sicherte die französische Division unter General Morand das nördliche Gebiet bis zu den Sandbergen, geschützt auch durch den Arm der Alten Elbe. Ab dem südlichen Ausgang
des Ortes stand die italienische Division unter General Fontanelli in Reserve und dazu versetzt eine französische Kavalleriebrigade in Richtung Globig. Die württembergische Division unter Generalleutnant Graf Franquemont bezog Stellung vom „Moyenhainichtgraben“ bis in den Ort Bleddin hinein, den sie besetzt hatten. Ihre Kavallerie
beobachtete den südlichen Elbeabschnitt.

Inzwischen war die Brigade des Prinzen Karl von Mecklenburg bei dichtem Nebel und nasskalten Temperaturen auf Wartenburg vorgerückt, wobei es in Höhe des „Hohen Holzes“ die ersten Gefechtskontakte mit französischen Vorposten gab. Ein rasches Nachsetzen konnte nicht gelingen. Das Gelände erwies sich als zu schwierig, mit den vielen Bruchwiesen, die von zahlreichen Gräben und kleinen, sumpfartigen Gewässern durchzogen waren. Prinz Karl forderte von Yorck, der seit 7 Uhr in Elster weilte, Verstärkung an, mit deren Hilfe die Franzosen aus dem „Hohen Holz“ zurückgeworfen wurden. Schon erreichte man die „Wartenburger Wiesen“ und nach der allmählichen Auflösung des Nebels, sah man die Dächer des Dorfes mit seinem hohen Kirchturm auf etwa 1.500 Schritt Entfernung vor sich liegen. Doch ein weiteres Vordringen in der Front gegen Wartenburg wurde nun unmöglich, da die hinter dem hohen Damm aufgestellten französischen Geschütze die preußischen Bataillone in ein heftiges Kreuzfeuer nahmen.

Nachdem Prinz Karl einem Teil der Bataillone befahl, Deckung hinter den Waldbäumen zu nehmen, um die französischen Truppen zu beschäftigen, wandte er sich nun mit dem Hauptteil seiner Brigade weiter nach links, um die Stellung bei Wartenburg in der rechten Flanke zu umgehen, stieß hier aber auch auf dieselben Geländeschwierigkeiten. Vor allem der „Moyenhainichtgraben“ verhinderte jedes frontale Vordringen in Richtung Wartenburg. Verzweifelt schlug man sich bis zum Ende jenes Grabens durch und stieß auf einen nach Bleddin führenden Flügeldamm. Die hier operierenden Vorposten der württembergischen Division zogen sich zurück. Erneut versuchten die preußischen Truppen den Ort, aber nun in der rechten Flanke, anzugreifen. Diesmal durchstreiften sie die Obstanlagen in Richtung Wartenburg. Plötzlich einsetzendes feindliches Artilleriefeuer und heftige Gegenwehr veranlassten Karl von Mecklenburg zum Rückzug zum Flügeldamm. Er erkannte aber, dass von hier ein Durchbruch nach Bleddin möglich sei und bat Yorck um größere Verstärkung von Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Inzwischen war die gesamte 1. Brigade des preußischen Armeekorps unter Oberst von Steinmetz mit weiteren 4.000 Mann und 8 Geschützen übergesetzt. Yorck übertrug dem Oberst das Kommando über alle die in der Front vor Wartenburg stehenden preußischen Truppen, darunter auch die heldenhaft kämpfenden Landwehrbataillone. Gegen 11 Uhr waren auch die 7. Brigade unter Generalmajor von Horn mit mehr als 5.000 Mann und 3 Geschützen und die 8. Brigade des Generalmajors von Hünerbein mit zusätzlich 3.000 Mann und 8 Geschützen auf dem linken Elbufer eingetroffen. Weitere Einheiten standen in Reserve. General Blücher hatte die Truppen auf seine persönliche, scherzhafte Weise begrüßt. Etwa zur gleichen Zeit überzeugte sich Yorck vor Ort nach mehreren vergeblichen Versuchen, dass mit einem Frontalangriff gegen die festungsartige Stellung bei Wartenburg man nicht zum Ziele kommen könne. In dieser Situation verfasst er den Befehl, der dem Schlachtverlauf einen großen Impuls geben wird. Steinmetz muss ausharren und bedrängen. Horn soll verdeckt zur Unterstützung des Prinzen stehen bleiben, den gegenüberstehenden Feind beschäftigen, aber auch gleichzeitig die Verbindung zu Steinmetz halten. Hünerbein wird vorerst als Reserve eingesetzt. Aber sobald die 2. Brigade Bleddin genommen und den rechten Flügel umgangen hat, erstürmen die 1. und 7. Brigade frontal das Dorf Wartenburg. Leichter gesagt, als getan. Nach 11.30 Uhr marschierten die Truppen vom Brückenkopf zu ihren Bestimmungsorten. Prinz Karl erhielt ausreichend Unterstützung. Horn nahm, die 2. Brigade deckend, am östlichen Ende des „Moyenhainichtgrabens“ Aufstellung, wobei zwei Bataillone in Richtung „Sauanger“ vorgeschoben wurden. Hier gerieten sie aber in ein heftiges Abwehrfeuer der Franzosen und erlitten hohe Verluste. Nun rückte die als Reserve gedachte Brigade Hünerbein in Richtung Wartenburg vor bis an den Westrand des „Hohen Holzes“ und nahm damit auch Kontakt zur Brigade Horn auf.

Nach und nach überschritten weitere Truppenteile der Schlesischen Armee die Elbe, auch die Divisionen des russischen Generals Langeron. Blücher ritt ihnen entgegen um sie zu begrüßen. Mit nicht enden wollendem Hurra bekräftigten die russischen Soldaten, dass sie dem Vertrauen des Generals Ehre machen würden. Aber es bedurfte das Eingreifen seiner „Moskowiter“ nicht mehr. Inzwischen hatte der Prinz Karl von Mecklenburg seinen Vormarsch in Richtung „Schützberg“ vorangetrieben, nachdem ihn auch Blüchers Befehl zum Angriff auf Bleddin erreicht hatte. Unterstützt von der Artillerie, diese im Vorrücken feuernd, konnte die Kavallerie den hartnäckigen Widerstand der württembergischen Division brechen. Um das Dorf entspannte sich ein heftiger Kampf, bis es endlich von den Preußen gegen 14 Uhr erobert war und die Württemberger in Richtung Torgau, teils nach Globig, zurückgedrängt wurden. Nun konnte der Prinz sich mit seiner Brigade rechts wenden und zum Angriff auf die Stellungen von Wartenburg übergehen, wobei sie sich auf die zwei Windmühlen westlich des Ortes orientierten.

Die Brigaden von Steinmetz und von Horn hatten stundenlang im Feuer gestanden, ohne zu weichen, aber auch ohne nur einen Schritt vorzudringen. Dem alten Horn war das Warten am „Sauanger“ währenddessen zu lang geworden. Im Kreuzfeuer der Franzosen hatte man sich näher an den Landdamm herangearbeitet. Wohl standen die Männer von der schlesischen Landwehr und feuerten ununterbrochen, aber die Kugeln verfehlten ihr Ziel und die eigenen Verluste waren hoch. Hier half nur ein Sturmangriff. Mit tausendstimmigem Hurra watete die Landwehr, Horn mit voran, den Damm hinauf und nahm mit Bajonett und Kolben die unangreifbare Stellung des Feindes. Die Wucht des Angriffs warf alles vor sich her. Ähnlich erfolgte der Angriff der Bataillone von Steinmetz auf die Truppen des Generals Morand. Kurz nach 15 Uhr war Wartenburg von den Preußen erobert worden.

Am Abend versammelten sich die Führer der preußischen Truppen im Saal des Wartenburger Schlosses und feierten ihren Sieg und Blücher erinnerte in seinem Toast an den großen Helden Scharnhorst.
(Wolfgang Kunze, 2012)

Quellen und Literaturhinweise: 
J. G. Droysen: Das Leben des Feldmarschalls Grafen York von Wartenburg, 2. Bd., Berlin 1854
R. Mirus: Das Treffen bei Wartenburg, Berlin 1863
Th. Rehtwisch: Schlachtenbilder der Befreiungskriege, Bd. VIII, Leipzig 1912
M. Krop/ Förderkreis 1813 Wartenburg e. V.: Zur Schlacht bei Wartenburg 3. Oktober 1813,
   Wittenberg 1999
F. Bauer: Wartenburg 3. Oktober 1813, Potsdam 2006
L. Lobodzinski: Generalfeldmarschall Graf Yorck von Wartenburg, Festschrift zum 250. Geburtstag,
   Diemelsee 2009