Am Vorabend des 03. Oktober 2017

Aus Anlass des 204. Jahrestages der Schlacht bei Wartenburg am 03.10.1813 und des Todestages von General Yorck am 04.10.1830 fand am 02.10.2017 ein Laternenumzug zum Yorck-Denkmal mit der traditionelle Kranzniederlegung statt. Das geplante Herbstfeuer musste leider aufgrund des intensiven Regens ausfallen. Stattdessen hatte die Freiwillige Feuerwehr zum Gemeindevorplatz geladen.

Nachfolgend ist die Rede von Herrn Wolfgang Kunze abgedruckt, mit der er sich diesmal speziell an die jüngeren Laternenträger gewandt hat.

Rede zum 204. Jahrestag der Schlacht von Wartenburg
(2. Oktober 2017)

Liebe große Wartenburger, liebe Gäste, vor allem liebe kleine Wartenburger!

Aus den Chroniken von Wartenburg  wissen wir um das Geschehene. Die geschichtlichen Hintergründe und den doch sehr blutigen Verlauf der Schlacht kann man in den vielen Darstellungen nachlesen und heute schnell im Internet recherchieren. Doch viele Wartenburger wissen es sowieso besser. Und Unglaubliches passiert in unserem Ort alle Male.

Auf dem Weg hierher zum Denkmal bin ich doch dem Sandmännchen begegnet. Er war in großer Eile und rief mir noch zu: „He! erzähl du heute doch mal eine gute Nachtgeschichte für die Kleinen“ und flog mit seiner Rakete los.Mit einer Rakete? Ja, natürlich! Im Oktober, vor 60 Jahren (04.10.1957), flog zum ersten Male eine Rakete mit einer Kugel mit vier Stäben dran ins Weltall. Diese Kugel nannte man Sputnik. Sie flog um unsere Erde und heute kann es das Sandmännchen dadurch auch.

Apropos Sandmann, ich sollte doch die gute Nachtgeschichte erzählen.

Es war einmal…
dieser Hans David Ludwig von Yorck, den man später nach unsrem Ort Yorck von Wartenburg nannte.

Er war nicht nur Soldat, Krieger oder General.
Er war einfach auch ein Großvater, ein richtiger Opa, der sich liebevoll um seinen Enkel, den Sohn seiner geliebten Tochter kümmerte. Ich nenne ihn einfach mal den kleinen Hans. Auf dem Denkmal seht ihr den großen Hans. Sie wohnten in einem Schloss, nicht in unserem, sondern weit weg von hier.
Das hört sich doch schon mal märchenhaft an.

Gemeinsam durchstreiften sie in der Gegend die Wälder und beobachteten die Tiere. Zu Hause versuchte der kleine Hans die Tiere dann nachzuzeichnen.
Im Schloss ging es manchmal auch sehr laut zu, nämlich beim Huckepack durch die Wohnzimmer, treppauf, treppab. Da brauchte der große Hans viel Puste. Abenteuerlich und spannend wurde es, wenn der kleine Hans in der Kutsche mitfuhren durfte oder mit den beiden Schlosshunden spielte und tobte.

An langen Abenden, besonders zur Weihnachtszeit hin, las Opa Yorck aus neuen Büchern vor. Fernseher und Handy gab es ja nicht. Aber Märchenbücher waren damals in, wie wir heute sagen würden, natürlich mussten es die Märchen von  Jacob und Wilhelm Grimm sein. Wie heißt die Zauberformel?

Simsala…, Simsala…, Simsalagrimm!

Aber auch die Lieder – und Geschichtensammlung „Des Knaben Wunderhorn“ von Clemens Brentano und Achim von Arnim gehörten dazu.

Ein Märchenerzähler nämlich Ludwig Tieck, war sogar Hauslehrer bei den Yorcks. Nein, er gab keinen Nachhilfeunterricht.
Ein Märchen von  ihm kennt ihr ganz bestimmt. Da stolziert ein Tier in Stiefeln und überlistet einen Zauberer. (Der gestiefelte Kater)
Das Märchen erschien vor 220 Jahren und erfreut uns bis heute.
Ein unbekanntes Märchen von ihm ist „Der blonde Eckbert“,
natürlich mit –ck- geschrieben.

Dann hatte der große Hans ein Problem
Liebevoll und lange bastelte Großvater Yorck an einem Schaukelpferd. Aber das Gesicht wollte und wollte nicht gelingen. Vielleicht schreckten ihn die Erinnerungen der vergangenen Kriegsjahre zurück, denn in einer Schlacht hatte er ein Lieblingspferd verloren.
Aber der kleine Hans wollte unbedingt schaukeln, hoch schaukeln, vielleicht träumte er sogar damit zu fliegen.

Der große Hans machte sich auch Sorgen um den kleinen Hans.
Für seinen Enkel hatte er einen persönlichen Wunsch. Er sollte nicht unbedingt Soldat werden, aber Arzt ja, eventuell auch Militärarzt.
Vielleicht, so denke ich, wenn man in den Schlachten so viel Leid und Schmerzen gesehen hat, möchte man einfach was Gutes tun.
Leider konnte der große Hans, also der alte Yorck, das nicht mehr erleben.
Am Morgen des 4. Oktober 1830, verstarb er in seinem Schloss. Der kleine Hans war damals 11 Jahre alt und er wollte Arzt werden.

Oh mein Handy! Ich glaube ich habe jetzt ein Signal vom Sandmännchen erhalten. „Hallo! Ja, machen wir!“
Wir sollen nicht vergessen, den Sand zu verpusten.

Anmerkungen:

Der kleine Hans, eigentlich Albert von Horveden, wird nach dem Tod seiner Mutter Johanna Bertha, als Graf von Wartenburg von Yorck adoptiert. Dieser lässt ihm eine Erziehung angedeihen u. a. durch den Dichter der Romatik Ludwig Tieck. 1819 geboren, verstarb der Enkel schon 1841 in Wien.
Ludwig Tieck (1773-1853) war auch schon Erzieher von Yorcks Sohn Ludwig (1805-1865) und schenkte diesem 1852 seine 2. Bücher- und Material-sammlung, ein Grundstock der Yorckschen Bibliothek (etwa 100000 Bände).
1912 ordnete der Joachim Ringelnatz (1883-1934), als Privatbibliothekar beim Grafen Heinrich Yorck von Wartenburg, die Bücherbestände und Nachlässe.

Wolfgang Kunze