Artikel erstellt am: 17. Oktober 2025

„Frau Pastor“ kehrt in die Wartenburger Kirche zurück! Die Geschichte eines Bildes

Eigentlich ist es ja nur ihr Bild,
und eigentlich war sie nie in dieser Kirche.

„Ihre Kirche“ wurde im Jahre 1875 abgerissen. Mindestens 2 Gemälde, die die einzigen bekannten Dokumente des alten Gemäuers sind und das Porträt ihres Mannes, verließen mit ihr unseren Ort.
Als unsere heutige Kirche im Jahre 1876 geweiht wurde, war „Frau Pastor“
bereits fast 90 Jahre alt und lebte in Chemnitz.

Sie hat diese Kirche nie gesehen und anzunehmen ist, dass sie die Geschehnisse in Wartenburg im weit entfernten Chemnitz nicht mehr verfolgt hat.

Frau Pastor oder Frau Magister, wie sie zu ihrer Zeit genannt wurde, war
Sophie Wilhelmine Gerstäcker, geb. Völkner (* 22.02.1787 in Wartenburg, † 21.12.1877) in Chemnitz).

Zur Vorgeschichte:
Seit fast 100 Jahren hängen an der Kanzel unserer Kirche 2 Fotos von Gemälden, die sich nicht in unserem Besitz befinden.
Ein Bild zeigt die alte, 1875 abgerissene Wartenburger Kirche mit dem Hinweis, das Original befindet sich im Besitz einer Frau Schmidt in Göritzhain.
Und das andere Foto zeigte Magister Carl August Rudolph Gerstäcker und den Hinweis, das Original ist im Stadtmuseum Chemnitz.

Meine Neugier als heimatgeschichtlich interessierter Mensch war geweckt – wer war Pfarrer Gerstäcker und wo befinden sich die Bilder heute?

Beide benannten Quellen führten erst einmal ins Leere.
Frau Schmidt (geb. Gerstäcker) war im Jahre 1944 verstorben.
Die von ihrem Mann und später Sohn betriebene Mühle in Göritzhain war durch wirtschaftliche Schwierigkeiten und die Wirren des II. Weltkrieges längst nicht mehr im Familienbesitz. Den heute lebenden Nachkommen der Fam. Schmidt ist das Bild unbekannt.

Auch das Porträt von Pfarrer Gerstäcker ist im Stadtmuseum Chemnitz (heute Schlossberg-Museum) nicht bekannt.
Aber eine Tür öffnet sich immer und so wurde im Depot des Museums „ein“ Bild unserer alten Kirche gefunden. Dieses Bild weicht in einigen Details von der bei uns vorhandenen Fotografie ab, also gab es mindestens zwei fast gleiche Gemälde in der Familie Gerstäcker.
Eine Kopie des Chemnitzer Bildnisses (im Original beschädigt und in Ansätzen restauriert) hängt nun in unserem Pfarrhaus.

Sophie Wilhelmine Völkner wurde am 22.02.1787 in Wartenburg geboren.
Ihr Vater, Friedrich August Völkner war hier seit 1775 Ortspfarrer.
Im Jahre 1801 kam als junger Substitut (Gehilfe des Pfarrers) Magister Friedrich August Rudolph Gerstäcker mit frisch abgelegtem Examen ins Haus.
Als im Mai 1802 Pfarrer Völkner plötzlich verstarb, bewarb sich Rudolph Gerstäcker um die vakante Stelle und wurde neuer Ortspfarrer.
Da ein Pfarrer in „geordneten“ Verhältnissen zu leben hatte, heiratete er im November 1802 Sophie Wilhelmine, die Tochter seines Vorgängers, die zu diesem Zeitpunkt noch keine 16 Jahre alt war.

Die Wirkungszeit von Pfarrer Rudolph Gerstäcker war sehr begrenzt.
Mit nur 34 Jahren verstarb er im November 1814.

Über die Schlacht am 03. Oktober 1813 hat Pfarrer Gerstäcker im Kirchenbuch uns wichtige Eintragungen über die Not und das Elend der Einwohner in den Kriegstagen hinterlassen.

Im September 1815 musste die junge Witwe Sophie Wilhelmine ihren jüngsten Sohn mit nur 1 1/2 Jahren auf dem hiesigen Kirchhof beerdigen lassen.
Danach verließ sie Wartenburg, den Ort, in dem sie von Geburt an gelebt hatte, für immer.
Das Pfarrhaus brauchte Platz für den neuen Pfarrer.
Mit ihr zogen die 3 noch lebenden Kinder (12, 8 und 6 Jahre alt) mit zunächst unbekanntem Ziel von dannen.

Wir wissen, dass sie Unterkunft bei einer Schwägerin ihres verstorbenen Mannes in Sebnitz (Sachsen) gefunden hat und ihre Kinder großzog.
Der älteste Sohn Theobul wurde Wundarzt und lebte in Lommatzsch und Oschatz.
Sohn Robert Constantin erlernte den Beruf des Buchbinders und war nach erfolgreichem Abschluss fast 1o Jahre auf Gesellenwanderschaft in ganz Deutschland.
Tochter Luise Sophia heiratet den Kaufmann
Friedrich Rudolf Lüder.

Robert Constantin hatte sich ab Mitte der 1830er Jahre nach seiner Gesellenwanderschaft in Chemnitz niedergelassen und sich eine Existenz als Buchbinder aufgebaut.
Seit spätestens 1852 wohnte seine Mutter für die nächsten 25 Jahre bis zu ihrem Tode in der Lohgasse 17 in Chemnitz
Sohn und Enkelsöhne hatten es in der aufstrebenden Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz zu Anerkennung und Wohlstand gebracht.

Im Sommer vergangenen Jahres erhielt ich eine Mail aus Den Haag, dass die Absenderin (nennen wir sie Charlotte) im Nachlass einer befreundeten Familie eine alte gerahmte Fotografie mit folgender umseitiger Beschriftung gefunden hat:

„Sophie Wilhelmine Gerstäcker, geb. Völkner, geb. d. 20. Februar 1787, vermählt mit d. Pastor Rudolf Gerstäcker zu Wartenburg d. 21. November 1802. Starb am 21. Dezember 1877 zu Chemnitz.
Sie war eine Tochter des Pastors Völkner in Wartenburg und der Sophie Dankgott Völkner, geb. Lippe (zu) aus Neustadt … Postverwalter …

Was für ein Schatz befand sich dort in Holland!
Ein Bild aus den Anfangszeiten der Fotografie, ca. in den 1860er Jahren aufgenommen.
Ein Fototräger auf Karton, eingefasst mit Waldglas.
Das Alter hatte der Fotografie stark zugesetzt.

Wie aber kam das Bild in eine Familie mit ganz anderen Namen nach Den Haag,
und wie kam die Absenderin auf uns?
Letztere Antwort ist relativ einfach. Unsere Veröffentlichungen über Gerstäcker auf der Webseite können überall gegoogelt werden.
Und für die erstere Frage war der Recherche-Spürsinn wieder geweckt.
Archive und Einwohnermeldeämter in Chemnitz und Holland wurden erfolgreich bemüht.

Die Schlüsselperson heißt Johanna Elfriede Gerstäcker, sie ist eine Urenkelin unserer Pastorenwitwe. Deren Sohn, mit Nachnamen Intlekofer, ist in den 1930er Jahren nach Holland ausgewandert (die Mutter Johanna lebte dort auch zeitweilig).

Ein Kinderbildnis der Johanna Elfriede Gerstäcker in Öl gemalt, hängt übrigens in der ständigen Ausstellung des Schlossberg-Museums in Chemnitz, wie auch die Porträts ihrer Eltern, Selma und Alwin Theodor Gerstäcker.

Charlotte hat das Originalbild der Kirchengemeinde Wartenburg geschenkt.
„Dass Sophie Wilhelmine wieder dorthin zurückkehrt, wo sie einst hergekommen ist.“

Das Bild wurde nun von einem erfahrenen Foto-Restaurator gereinigt und digital aufgearbeitet. Risse konnten so beseitigt werden und Verborgenes sichtbar gemacht werden.
Eine Kopie hängt jetzt an der Kanzel, neben dem Bild ihres Ehemannes, Pfarrer Gerstäcker.
Beide Aufnahmen trennen rund 50 Jahre,
und Sophie Wilhelmine überlebte ihren Mann um 63 Jahre.

(Günter Korge)

 

 

 

 

 


(Original)                                                                (Restauration und digitale Bearbeitung))

 

 

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