Vor 205 Jahren – eine kleine Chronik

Januar bis März 1813

Wartenburg in Sachsen:

Das neue Jahr fing ruhig, aber frostig kalt in unserem abgelegenen, sächsischen Dorf an. Da kam die Nachricht, dass die Brüder des Häuslers Vehse, die mit der französischen Armee nach Russland 1812 gezogen waren dort verschollen sind.
Beide hatten im sächsischen Kontingent für napoleonische Interessen in der Grande Armee gekämpft und Friedrich August I. (1750-1827), König von Sachsen, seit 1807 auch Herzog von Warschau, blieb treuer Bündnispartner. Das preußische Hilfskorps dagegen war unter General Yorck mit der Konvention von Tauroggen einen Neutralitätspakt mit Russland eingegangen, mindestens bis März. Der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) tobte zwar, doch die Ereignisse überschlugen sich.
Der Ortspfarrer Karl August Rudolf Gerstäcker (um1760-1814) überbrachte die traurige Nachricht den Verwandten der Vermissten. Dann ereigneten sich zwei Unglücksfälle.
Am 11. März brach der Feldhüter Johann Christoph Fleck vor dem hohen Ellerbusch ins Eis ein und ertrank.
Am 17. März verunglückte der Handarbeiter Johann Gottlieb Strauch in der Hengsthainichte beim Fällen von Holz für die Wachfeuer der französischen Einquartierung unter dem Befehl des Generals Etienne Raymond, Baron de Pouchelon (1770-1831).

Breslau in Schlesien:

Am 17. März verkündete nun Preußens König mit dem Aufruf An Mein Volk das Signal zum Befreiungskampf, ausgearbeitet vom ostpreußischen Staatsrat Theodor Gottlieb von Hippel (1775-1843). Dieser erfuhr von der Aufbruchsstimmung in seiner Heimat von seinem Vetter Georg von Hippel (1766-1813). Schon eine Woche vorher hatte der preußische König zu Ehren seiner verstorbenen Frau Luise (1776-1810) einen von ihm entworfenen Heldenorden – das Eiserne Kreuz gestiftet, den Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) gestaltete.

Königsberg in Ostpreußen:

Hier wurde Yorck Anfang des Jahres wegen seiner mutigen Tat als Volksheld gefeiert worden. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von seiner Ankunft am 8. Januar. Freiherr Karl vom und zum Stein (1757-1831) nutzte die Situation, auch im Auftrage des russischen Zaren Alexander I. (1777-1825), gegen die Franzosen Stimmung zu machen. In dem Landhofmeister und Präsidenten der ostpreußischen Regierung Hans Jakob von Auerswald (1757-1833) fand er einen Verbündeten. Dieser wagte es, auch ohne königliche Genehmigung, die Ständische Versammlung einzuberufen.
Aus seinem Tagebuch erfahren wir über Yorcks Sorgen, Nöte und Eifer.
Am 5. Februar hielt er im Landtag seine mitreißende Rede zur Verteidigung der Freiheit des Vaterlandes. Jetzt wurde die Idee von General Gerhard David Scharnhorst (1755-1813), die Schaffung einer Landwehr, in die Tat umgesetzt. Yorck erteilte entsprechende Order.
In der Broschüre des Förderkreise 1813 Wartenburg e.V. Yorck und die Konvention von Tauroggen schreibt Manfred Krop treffend: „Es war die Geburtsstunde der preußischen Landwehr und Yorck gehörte mit zu ihren Initiatoren. Aus einem der schärfsten Kritiker der Volksbewaffnung war einer ihrer Geburtshelfer geworden.“
Gewählte Mitglieder des ostpreußischen Landtages, wie Landrat von Hippel oder deren Söhne, traten den neuen, freiwilligen Verbänden bei, auch ein Hans Adolf von Auerswald (1792-1848), der sich Yorck anschloss.
Am 20. Februar reiste dieser mit seinem Korps aus Königsberg ab.

Breslau:

Henrich Steffens (1773-1845), Philosopieprofessor an der Schlesischen Friedrich-Wilhelm-Universität, begeisterte seine Studenten zur Teilnahme am Kampf gegen Napoleon. Er selbst stellte den Antrag an den preußischen König für ein Offizierspatent. Er wird die Teilnahme an den Feldzügen der Befreiungskriege, auch in Wartenburg, in seinem autobiografischen Werk Was ich erlebte niederschreiben.

Kalisch im Herzogtum Warschau:

Nach einem Rückzugsgefecht ergab sich am 13. Februar eine sächsische Brigade den russischen Truppen. Diese errichteten hier nun ihr Hauptquartier. Zwei Wochen später, genau am 28. Februar, kam es zur Unterzeichnung der ersehnten Allianz zwischen Russland und Preußen. Der legendäre Feldmarschall Michail I. Kutusow (1745-1813) wurde zum Oberbefehlshaber der gemeinsamen Truppen ernannt.

Berlin:

Die Kunde vom Eintreffen einer Kosakenpatrouille in den Nachmittagsstunden des 20. Februar versetzte die Bevölkerung in eine euphorische Stimmung. Die letzten französischen Soldaten verließen am 4. März die Stadt. Tage später werden russische Truppen und das preußische Korps unter Yorck jubelnd empfangen. Inzwischen hatte zwar der preußische König durch Armeebefehl, auch durch Fürsprache Scharnhorsts, Yorck wieder rehabilitiert, aber die persönliche Begegnung mit Friedrich Wilhelm III. am 23. März verlief sehr distanziert. Das änderte sich auch in späteren Jahren nicht.

Bunzlau (westlich von Breslau):

Am 23. März ließ General Leberecht von Blücher (1742-1819) aus seinem Hauptquartier den Aufruf an die Sachsen, entworfen von Neithardt von Gneisenau (1760-1831), verkünden:
„Sachsen! Wir Preußen betreten E u e r  Gebiet, E u c h die brüderliche Hand bietend. Wir bringen Euch die Morgenröte eines neuen Tages. Die Zeit ist endlich gekommen, ein verhaßtes Joch abzuwerfen, das uns seit sechs Jahren furchtbar drückte. … Sachsen! I h r seid ein edles, aufgeklärtes Volk! I h r wißt, daß ohne Unabhängigkeit alle Güter des Lebens für edelgesinnte Gemüter keinen Wert haben; – daß Unterjochung die höchste Schmach sei! …. Der Zutritt zu mir, dem preußischen Feldherren, sei jedem Unterdrückten offen ….“.
Ob diese Nachricht auch die Wartenburger erreicht hatte? Wie werden sie sich verhalten? Ihr König jedenfalls war schon mal aus Dresen geflohen. Die Festung Wittenberg dagegen befand sich noch in der Hand der Franzosen.
Ende März schreibt von Auerswald ins Tagebuch:

„Kabinets-Verfügungen über Landwehr, Stiftung des eisernen Kreutzes, … Aufruf an das Volk und die Armee. … Der Krieg ist erklärt.“

(Wolfgang Kunze)

 

Bildquellen: Wikipedia
Literatur:
Tagebuch des Landhofmeisters von Auerswald/Anhang in : A. Bezzenberger: „Zum Andenken an die Mitglieder des Preußischen Landtages im Februar 1813 …, Königsberg, 1900
Aufruf an die Sachsen in: „Neithardt von Gneisenau – Schriften“, Berlin 1954, S. 372
Manfred Krop: „Yorck und die Konvention von Tauroggen“, Wartenburg 2003, S. 21

Wernecke: Wartenburg einst und jetzt