Wartenburg und ein Jubiläumsstreifzug durch die Geschichte

Wer kennt schon Heinrich I.(876-936), den ersten deutschen König? Er war ein Sachse, der sich gegen die anderen Großen im langsam entstehenden deutschen Gebilde durchsetzte und gekrönt wurde. Das war 919. Sein Lieblingsort wurde Quedlinburg. Bekannter ist wohl sein Sohn, der erste Kaiser. Ihm wurde als Otto I.(912-973), der Große genannt, in Magdeburg ein Denkmal gesetzt.

Zu jener Zeit war Wartenburg von slawischen Stämmen besiedelt, die auch weiter westwärts drängten. Pfarrer Gustav Wernicke schreibt in unserer Dorfchronik:
„Aber Heinrich der Städtebauer begnügte sich nicht mit der Abwehr, sondern verpflanzte die deutsche Herrschaft auf slawischen Boden. … unternahm … 932 einen Zug über die Elbe ….
Vermutlich ist damals auch unsere Gegend von ihm unterjocht worden. Aber immerhin ist noch eine lange Zeit vergangen, bis das unterworfene sorbische Land in deutsches Land verwandelt wurde. …
In größerem Umfange setzt die deutsche Besiedlung mit dem Anfang des zwölften Jahrhunderts ein.“

Da wurde 1176 unser Wardenberch als Burgward so erstmalig erwähnt. Es war die Zeit der Herrschaft der Askanier, die in Wittenberg residierten.

Hunderte Jahre später mauserte sich Wittenberg zu einem „Mittelpunkt“ der Welt-geschichte unter den Kurfürsten von Sachsen.
1519 war Kaiser Maximilian I. (*1459) gestorben, der „letzte Ritter“ des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Seinem Enkel, Karl V. (1500-1558), fiel die Aufgabe zu, einen aufmüpfigen Martin Luther (1483-1546) zu bändigen.
Wir wissen um den Ausgang der Geschichte, denn auch in Wartenburg setzte sich 1528 die Reformation durch.

1519, fernab dieses Geschehens, war in Frankreich der Universalgelehrte der Renaissance Leonardo da Vinci (*1452) gestorben. Wer kennt nicht seine „Mona Lisa“, manche vielleicht seine genialen Erfindungen, auch seinen Traum vom Fliegen.

100 Jahre später, 1619, erblickt  Cyrano de Bergerac (*-1654) das Licht der Welt, der diese Vision Leonardos aufnahm und später zwei Romane über Reisen zum Mond und zur Sonne schrieb. 1637, war dieser in einen Händel verstrickt. Dabei traf er den historischen d’Artagnan (nach 1611-1673) und auch den berüchtigten Kardinal Richelieu (1585-1642).

Mit Begeisterung war ich als Kind im Wartenburger Dorfkino, in der Gaststätte „Zur Sonne“, in die Degen- und Mantelfilme versunken und habe einige der bekannten Romane der Weltliteratur dazu verschlungen.  Während meiner Studienzeit sah ich im DDR-Fernsehen den französischen Film „Cyrano und d’Artagnan“ und las mich in historische Bücher der Bibliothek der Martin-Luther-Universität in Halle fest.

Kaum einer weiß den genauen historischen Hintergrund: die Greul des 30-jährigen Krieges, aber manche kennen die Schrift eines Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen (1621-1676) „Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch“. Der junge Held gerät durch die Wirren des furchtbaren Krieges in ein aufregendes Soldaten- und Wanderleben. Ich hatte die Geschichte in meiner Schulzeit verschlungen, wobei sich der Begriff „Schwedentrunk“ mir besonders eingeprägte.

   

Ein großer Mahner für den Frieden, Martin Opitz (1597-1639), weilte 1625 in Wittenberg und schrieb an seiner umfangreichen Ballade gegen den Krieg:
„Deß schweren Krieges Last, den Teutschland jetzt empfindet,
Und daß Gott nicht umbsonst so hefftig angezündet
Den Eyffer seiner Macht, auch wo in solcher Pein
Trost herzuholen ist, sol mein Gedichte seyn.“

Er war der wortgewandte „Gekröhnte“ der damaligen Fruchtbringenden Gesellschaft, einer teils adligen Bruderschaft, teils literarischen Vereinigung.

Mitglied dieser ersten deutschen Sprachakademie war auch Hans Christoph von Ebeleben (1578-1651), der „Redliche“. Dieser war in Wartenburg geboren, hatte in Wittenberg Jura studiert, übernahm den Familienbesitz auf dem Rittergut und heiratete hier. Doch schon 1619 verstarb seine Frau Agnesa. Ebeleben wurde später zum Amtshauptmann ernannt und 1638 zum Hofrichter befördert. Im gleichen Jahr legte er einen schriftlichen Bericht zu den verheerenden Zuständen vor, denn das Jahrhundertereignis hatte auch für Wartenburg fatale Folgen. „Welch‘ furchtbares Elend ist da über unsere Vorfahren gekommen!“, schreibt Wernicke in der Dorfchronik. Es lohnt sich, im ausführlichen Kapitel „Der Dreißigjährige Krieg“, insbesondere über das „Ruin- und Verderbensjahr“ 1637, dem „Pestjahr“, nachzulesen.

1719 wurde der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim(*-1803) geboren. Obwohl sein Werk heute kaum noch bekannt ist, pflegte er umfangreiche, persönliche Kontakte zu literarischen und aufklärerischen Persönlichkeiten der damaligen Zeit und war beseelt von tugendhaften Freundschaftsbanden. Im gleichen Jahr bewarb sich Johann Christian Günther (1695-1723) als Hofpoet beim sächsischen Königshof, obwohl er in Wittenberg ein Medizinstudium absolviert hatte. Seine oft zu Unrecht vergessenen Gedichte, setzten sich auch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinander. In „Bußgedanken über den Zustand der Welt“ formulierte er:

„Gerechter Gott, in was für Zeiten,
gerät nicht unser Lebenslauf?
Der Jammer wacht auf allen Seiten.
Ach! Deutschland tu die Augen auf.“

Das 18. Jahrhundert gilt als das Zeitalter der Aufklärung, des Freigeistes und der allgemeinen Bildung. Seit 1713 gab es in Wartenburg eine schulische Ausbildung.
„1754 sind in der Schule 50 kleine (lesende) und 14 schreibende Kinder gewesen, …“

Obwohl eine historische Verbindung nicht ganz nachweisbar ist, so hatte der Küster Johann Friedrich Eigendorf  (1751-1814) sicherlich eine philanthropische Ader, die er in Wartenburg seit 1778 umsetzte. Unterstützung fand er später im jungen Pfarrer Carl August Rudolph Gerstäcker (1780-1814).

1819 verstarb am 12. September General Vorwärts unser Blücher (*1742).
Ob der damalige Pfarrer in Wartenburg Gottlob Rüffer (1761-1831) an ihn in einer Andacht erinnerte? Inzwischen war ja unser Ort preußisch geworden.

In Klein-Oels bereitete sich am 26. September Johann David Ludwig Yorck (1759-1830), seit fünf Jahren Graf von Wartenburg, auf seinen 60. Geburtstag vor. Ob es ihm wichtig war? Wichtiger war ihm die Vorfreude auf einen Enkel (Albert -1841), den seine Tochter Johanna Bertha (1800-1819) im November zur Welt brachte. Dann die Tragik: sie starb aber an den Folgen der Geburt.

1919, der 1. Weltkrieg war vorbei und die ausgerufene Weimarer Republik verhieß einen Neubeginn.
Auch viele Wartenburger Söhne waren für Gott, Kaiser und Vaterland im Krieg an den verschiedensten Fronten gefallen. Das 1925 errichtete Denkmal erinnert an Vorder- und Rückseite mit vielen bekannten Namen aus unserem Ort.

In Wittenberg wurde dieser Kampf um eine neue, demokratische Zeit heftiger ausgetragen.
Die Ideen der neuen Zeit erreichten aber auch Wartenburg, was sich in neuen Parteienstrukturen und einem neuen Gemeinderat zeigte.

2019 „Rettet das Dorf“? Spätere Chronisten werden darüber berichten.

Der Blick in die Vergangenheit kann spannend sein, Freude beim analogen oder digitalen Recherchieren hervorbringen, aber auch nachdenklich machen. Mit einer Zeitreise in Jahrhundertschritten wollte ich unser kleines, idyllisches, lebenswertes Wartenburg ins Bewusstsein rücken.

Ich wünsche allen Wartenburgern in der Heimat oder in der Ferne ein besinnliches, friedliches Weihnachtsfest.
Und einen guten Rutsch in neue Jubiläen.

(Wolfgang Kunze)

Literatur:
Die kursiv geschriebenen Sätze sind aus:
Wernecke, Gustav,  Wartenburg einst und jetzt, Wittenberg 1913, ND 2003
Deutsche Literaturgeschichte in einem Band, Berlin 1966
Text und Bilder auch aus:      wartenburg.de/chronik
Korge, Günter:      wartenburg.de/node/762, wartenburg.de/node/655
Kunze,Wolfgang: wartenburg.de/node/748, wartenburg.de/node/556

Bildquellen:           wikipedia