Wartenburg vor 150 Jahren

Es war der 16. April 1871
als auf der Festwiese vor dem Schinkel-Denkmal zur Erinnerung an den deutsch-französischen Krieg 1870/71 und der Deklaration des Kaiserreiches am 18. Januar 1871 eine Eiche gepflanzt wurde.

Der Krieg endete offiziell erst mit dem Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871.
Das allgemeine Friedensfest wurde erst am 18. Juni 1871 mit Gottesdiensten in allen Gemeinden gefeiert.

Die Initiative zur Pflanzung der Eiche ging vom Gesangsverein und dessen Vorsitzenden, Lehrer Rudolph Dietlein, aus.
Wir können davon ausgehen, dass diese Eiche ein Wartenburger Eigengewächs ist und vom damaligen Förster Wagner aus dem herrschaftlichen Hohenthalschen Walde beigesteuert wurde.
Ursprünglich war der Baum von einer gusseisernen Umfriedung umgeben.
Der jetzt davor lagernde Stein gehörte zum 1963 abgerissenen Schinkel-Denkmal.

Das Festprogramm zur Einweihung wurde auch maßgeblich von Lehrer Dietlein gestaltet und trug natürlich die patriotischen Züge der Kaiserzeit.

Ein Festumzug marschierte mit Musik und Gesang von der Schule zum Festplatz.
Weitere Lieder gab es während des Einpflanzens der Eiche und natürlich „Hochrufe“ auf den frisch gekürten Kaiser.

Die Festrede wurde von Pfarrer Brunner gehalten.
Zum Abschluss bewegte sich der Festzug wieder zurück ins Dorf.

In der 1876 fertiggestellten neuen Kirche wurde links neben dem Chorraum eine Gedenktafel für die Gefallenen aus Wartenburg angebracht.

Wer waren die 4 jungen Männer, die ihr Leben im deutsch-französischen Krieg ließen?

  1. Ernst Friedrich Gottlhelf Finke wurde 1839 in Wartenburg geboren und fiel im Deutsch-Dänischen Krieg am 18. April 1864 bei Düppel in Südjütland.
    Er war eines von 7 Kindern des Leinewebers Gottlob Erdmann Finke, der aus Klöden gebürtig nach Wartenburg geheiratet hatte. Er bewohnte das sog. „Finkenhaus“, welches bereits General Mirus in seiner Schrift „Das Treffen bei Wartenburg“ erwähnt hat. Es war ein ehemaliges Dammwachthaus am Falkenweiden-Damm, welches Gottlob Erdmann Finke um 1820 erworben hatte.
    Arg traf es die Familie Finke beim großen Hochwasser 1845. Infolge eines Dammbruches wurde das ganze Haus vom Wasser mitgerissen und weggespült. Ein Kolk blieb übrig, der dann „Finkenloch“ genannt wurde.
    Wo die Familie danach unterkam ist nicht bekannt.
    Nachfahre von Gottlob Erdmann Finke in der 6. Generation ist Frank Finke.
     
  2. Gustav Adolph Kapphammel wurde 1849 in Wartenburg geboren.
    Sein Leben endete mit gerade 21 Jahren am 16.08. 1870 in der Schlacht um Mars-la-Tour in Frankreich.
    Sein Vater (Johann Christian Kapphammel) war Tischler, sein Bruder führte als Meister diesen Beruf fort.
    Mit dem Tod des Enkels von Johann Christian Kapphammel 1936 war der Name in Wartenburg erloschen.
     
  3. Johann Wilhelm Morche (Musketier im Magdeburgischen Infantrieregiment Nr. 67, 4. Kompanie) starb 2 Tage später am 18.08.1870 in der Schlacht bei Gravelotte (Schuss durch Brust und Kopf).
    Geboren war er 1843 in Wartenburg.
    Sein Vater, Johann Gottlieb Morche, hatte in 2 Ehen insgesamt 10 Kinder. Gebürtig war er aus Schützberg, in Wartenburg wird er als Handarbeiter und Feldhüter bezeichnet.
    Nach 3 Generationen war dann der Namen „Morche“ in Wartenburg schon wieder erloschen.
     
  4. Am 4. Dezember 1870 starb in der Schlacht bei Orleans August Gustav Schulze (Musketier im 3. Brandenburgischen Infanterieregiment) im Alter von nur 19 Jahren.
    Er war der Sohn des Kossäthen Johann Gottlieb Schulze und seiner Frau Johanne Sophie Wartenburger.
    Das Paar hatte zusammen 7 Kinder, in erster Ehe hatte Johanne Sophie 5 Kinder geboren, wovon 4 bereits als Säuglinge starben.
    Auch von den 7 Kindern der Ehe mit Johann Gottlieb Schulze starben 3 als Säuglinge.
    Als die Mutter im Jahre 1895 starb waren mindestens 11 ihrer 12 Kinder bereits tot.

    Die Kossäthenwirtschaft hatten sie zuvor in Einzelteilen verkauft.
    Die ehemaligen Bauern behielten das Auszughaus und einen Stall.
    Im Jahre 1890 konnten sie das zum damaligen Zeitpunkt eher seltene Fest der Goldenen Hochzeit feiern.
    Das Grundstück gehört heute der Familie Bartoli.

 

Es ist schade, dass der 150. Jahrestag dieses Ereignisses nicht gebührend vor Ort begangen werden kann.

  

(Ein Dankeschön gilt Wolfgang Kunze für seine Ergänzungen und Korrekturen und an Heinz Stephan für die Bilder.)
Günter Korge