Zum 200. Todestag von General Blücher

Nach der historischen Schlacht, am späten Nachmittag des 3. Oktober 1813, gegen 16 Uhr, zog das Gros der Schlesischen Armee durch die damalige alte Wartenburger Dorfstraße.
Pfarrer Gerstäcker sah mit gemischten Gefühlen dem Vorbeimarsch preußischer und russischer Einheiten zu. Doch eine Person faszinierte ihn. Offensichtlich der Befehlshaber, von beeindruckender Statur, hoch zu Ross, mit einem vom Wetter gezeichnetem Gesicht, aber mit strahlenden, lächelnden Augen und einem markanten Schnauzbart. Auf der Höhe des Weges zum Rittergut hielt dieser mit einigen Reitern inne und gemeinsam bewegten sie sich dann in Richtung Schloss, der Tross zog weiter zum Biwak an der Straße nach Globig.

Sollte das der berühmte 70-jährige Marschall Vorwärts sein, ging es Gerstäcker durch den Kopf?
Ja, er war es! Und was für eine Vita!
Ohne in biografische Details zu gehen, sollen markante Lebensabschnitte hervorgehoben werden.

Am 16. Dezember 1742 wird Gebhard Leberecht als jüngster in die Familie von Blücher von insgesamt 9 Kindern geboren.
Mit Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) hielt sich Blücher bei Verwandten auf Rügen auf. Die Insel gehörte damals zu Schweden. Der 15-Jährige begeisterte sich für die umherstreifenden Husaren, ritt eines Tages Neuangeworbene aus Freude nach und trat freiwillig in schwedische Dienste, ohne seine Eltern in Kenntnis zu setzen. In den Wirren erlernte er das Kriegshandwerk:
„Seine Offiziere bescheinigten ihm Mut, Tapferkeit, Gewandtheit, sowie gutes Aussehen und tadelfreie Führung.“
Ende  August 1760 erhielt Blücher seine erste größere Feuertaufe. Die gelben schwedischen trafen auf die schwarzen preußischen Husaren. Sein Pferd wurde von einer Kugel getroffen, er fand keinen Anschluss zu seiner Einheit und wurde von den Preußen aufgegriffen.
Der Kommandierende erkannte in Blücher einen entfernten Verwandten und machte ihm das Angebot ein preußischer Husar zu werden. Vom schwedischen König erhielt er den offiziellen Abschied, vom preußischen König Friedrich II. (1712-1786) Mitte September ein Offizierspatent und wurde nun Husar in roter Uniform.
Obwohl mit  28 Jahren zum Stabsrittmeister ernannt, fühlte er sich bei der Vergabe des Postens eines Schwadronchefs übergangen. Es kam zu einem derben Wortwechsel und er reichte seinen Abschied beim preußischen König ein.
„Dieser verdonnerte Blücher zu einem neunmonatigen Arrest, damit er zur Besinnung käme.“
Außerdem bewertete Friedrich II. diese Angelegenheit als Theater wie in einem „Zigeunerregiment“.
Da aber Blücher nach der Strafe auf sein Ansinnen beharrte, diktierte der König an den Kommandeur:
„Der Rittmeister Blücher kann sich zum Teufel scheren.“ 1773 wurde dieser ohne Uniform und Ehren entlassen.

Es setzte zwar eine 13-jährige militärische Auszeit ein, aber durch die Heirat mit Karoline Amalia von Mehling (1756-1791) wird er bodenständig, stolzer Familienvater von 7 Kindern, Mitglied in einer Freimaurerloge und mischt sich in die Kommunalpolitik in Pommern ein. Und 1787 wurde er doch Schwadronchef.

Der neue preußische König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) eilte auf Bitten seiner Schwester, die mit dem Erbstatthalter der Niederlande verheiratet war, zu Hilfe gegen aufständische Patrioten. Für Blücher begann nun mit seiner Husareneinheit ein 850-km-Marsch von Pommern bis in die Niederlande in knapp 40 Tagen und unterstellte sich dem Herzog von Braunschweig (1721-1792).
Die dortige Angelegenheit war schnell geregelt.
Übrigens hatte diese Wilhelmine von Preußen (1751-1820) schon 1781 dem jungen Yorck ein Offizierspatent als Kapitän in holländischen Diensten verschafft.

1792 kam es zum 1. Koalitionskrieg Österreichs und Preußens gegen das revolutionäre Frankreich.
Erneut ritt Blücher mit seiner Einheit in Richtung Niederlande, formierte sich mit dem Korps des Herzog Ferdinand von Braunschweig (1735-1806) und zog ins französische Flandern ein. Sein ältester Sohn Franz (1778-1829) begleitete ihn. Nach der siegreichen französischen Kanonade von Valmy im September 1792, die Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) als Augenzeuge als Beginn einer neuen Epoche der Weltgeschichte interpretierte aus, zogen sich dich Preußen zurück.

Trotzdem unternahm Blücher wagehalsige Angriffe auf die französische Armee, wobei er in einem hügligen Waldgelände in der Pfalz im November 1793 in einer Schneise beinahe erschossen worden wäre. Allein mit seiner Kavallerie, inzwischen „Blücher-Husaren“ genannt, gelang es im Mai1794 ein französisches Kops zu schlagen. Sein Ansehen und das Vertrauen bei seinen Truppen wuchsen fast ins Unermessliche. Er wurde zum Generalmajor befördert, erhielt ein Regiment, mit dem er listenreich die Franzosen attackierte.

Durch den Frieden von Basel im April 1795 kam er ins Hauptquartier nach Emden, verliebte sich neu in die 30 Jahre jüngere Katharina Amalia von Colomb (1772-1850) und heiratete seine „Malchen“.
Der stetig Rastlose begann seine Erlebnisse aus dem Feldzug aufzuschreiben, was als „Kampagne-Journal der Jahre 1793 und 1794“ in die militärischen Annalen einging.
Blücher schrieb wie er sprach, Rechtschreibung blieb ihm ziemlich egal, so wie es ihm sein unkomplizierter Verstand eingab.

Ende 1795 übernahm er in Münster ein Truppenkommando, wurde 1801 Generalleutnant und Militärgouverneur von Westfalen. Hier begann seine Freundschaft mit Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein (1757-1831). Jener ermutigte Blücher zu dessen Denkschrift „Gedanken zur Formierung einer preußischen Nationalarmee“, sowie zum Mahnruf an den preußischen König Napoleons Machtstreben in Europa entgegenzutreten.

Im Oktober 1806 kam es zur historischen Doppelschlacht. Blücher befehligte ein 16.000 Mann starkes Korps südlich von Auerstedt. Während des Kampfes wurde sein Pferd erschossen, er sprang auf ein freilaufendes und entging so knapp der Gefangenschaft. In dem immer mehr um sich greifenden Durcheinander, begleitet von der Nachricht der Niederlage bei Jena und von allgemeiner Auflösung der Truppe, ordnete Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) einen raschen Rückzug an. Blücher stellte seine besten Husaren zum Schutz des preußischen Königs ab, formierte eine Nachhut von insgesamt 1400 Reitern und Grenadieren und begann am 15. Oktober den berühmten 800-km-Marsch, von Erfurt beginnend über Nordhausen, hier stieß der Generalquartiermeister Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) mit mehreren Kanonen dazu, dann weiter am Westharz vorbei zur Elbe.
Am 24. Oktober überquerte die Truppe bei Sandau den Fluss, gedeckt durch das erfolgreiche Abwehrgefecht der Preußischen Gardejäger durch Oberst von Yorck (1759-1821) bei Altenzaun.

In Lübeck trafen sich beide wieder. Yorck heldenhaft kämpfend und schwer verwundet, geriet in Gefangenschaft, Blücher sich nördlich von Lübeck nach Ratkau zurückziehend, musste kapitulieren.
Bei der Unterschriftsleistung setzte er den Zusatz:
„Ich kapithullire, weill ich kein Brot und keine Muhnitsion nicht mehr habe“

Der Ruhm (Blüchers) ging durch ganz Europa. Sein beispielloser Widerstand machte ihn zum „Gewissen der Armee“.

Blücher, vorerst als Gefangener in Hamburg, sollte gegen einen französischen General ausgetauscht werden. Der 27 Jahre jüngere Napoleon Bonaparte (1769-1821) wünschte aber unbedingt den „Alten“ zu sehen  und so kam es in Ostpreußen zu einem Treffen.
In einem Brief an Stein schreibt der alte Haudegen: „Der große Mann hat sich eine Stunde allein mit mir unterhalten. … Ich hoffe, nächstens auf der Bühne zu erscheinen, und werde meine Rolle, … treu und eifrig spielen.“

Zunächst wurde Blücher Generalgouverneur in Pommern. Hier fand er die Bühne mit Gleichgesinnten. Er war nicht der Kopf, aber Seele und Kraft unbeugsamen Widerstandes gegen die Fremdherrschaft. Über Neithard von Gneisenau (1760-1832), ließ er dem Vorsitzenden der preußischen Militär-Reorganisation-Kommission, ausrichten: „Sagen Sie meinen Freund Scharnhorst, daß ich ihm ans Herz legte, für eine Nationalarmee zu sorgen…. Die Armee muß in Divisionen geteilt, die Division von allen Truppen komponiert sein und im Herbst miteinander manövrieren.“ Und dieser antwortete:
„Sie sind unser Anführer und Held, nur mit Ihnen ist Entschlossenheit und Glück.“

Den Aufstandsversuch des Ferdinand von Schill (1787-1809) des Jahres 1809 begrüßte Blücher hoffnungsvoll und schrieb an seinen König: „Der erwünschte Augenblick ist da, wenn sich Eure Majestät an die Spitze des Volkes stellen.“ Er setzte sich für die Ehre Schills ein und übernahm hunderte Soldaten in sein Korps auf. Seinen Freunden gestand er: „Der Napoleon muß herunter, und ich werde helfen; eh das nicht geschehen, will ich nicht sterben.“ Dieser tobte in Paris: „Wer regiert eigentlich in Preußen? … Schill oder Bluquaire (Blücher)?

Nach der Unterzeichnung der Konvention von Tauroggen Ende 1812 durch General von Yorck schrieb der General der Kavallerie Blücher sofort: „Mich juckt’s den Säbel zu ergreifen. Jetzt ist es Zeit zu tun, was ich Anno Neun geraten, die ganze Nation zu den Waffen zu rufen.“ Er wird nun Oberbefehlshaber der preußischen Armee.

Die nachfolgenden Ereignisse der Befreiungskriege1813/14, insbesondere seine Heldentat in der Schlacht von Waterloo, wurden und werden an anderer Stelle gewürdigt.
Durch den preußischen Freiwilligen, Professor Henrik Steffens (1773-1845), kennen wir Blüchers Auftreten im Schloss von Wartenburg, seinen Toast auf den hervorragenden Scharnhorst.

Legendär ist sein Schlachtruf „Paschiol“ für die russischen Truppen. Nicht nur diese verehrten ihn als General „Vorwärts“.

Der Dichter Ernst Moritz Arndt (1769-1860) schrieb Ende 1813 „Das Lied vom Feldmarschall“. Patriotisch heißt es in der 7. Strophe:
Bei Wartenburg an der Elbe, wie fuhr er hindurch!
Da schirmte die Franzosen nicht Schanze noch Burg,
Da mußten sie springen wie Hasen über’s Feld,
Und hell ließ erklingen sein Hussa! der Held.
Juchheirassassa! …

Für seine Verdienste erhielt der Generalfeldmarschall den Titel „Fürst Blücher zu Wahlstadt“ und ein Gut in der Nähe der Katzbach, wo er 1817 selbst ein Schinkel-Denkmal einweihte. Er wurde mit höchsten Orden ausgezeichnet, trat in London auf, und wurde Mitglied des Preußischen Staatsrates. Er liebte die Galanterien und man verlieh ihm Ehrendoktorwürden und Ehrenbürgerschaften und errichtete noch zu Lebzeiten ein Denkmal für ihn in Rostock, mit Hilfe und Unterstützung von Goethe.

Doch er wollte auch seine Ruhe. In den letzten Lebensjahren nahm Blücher immer häufiger Kuren in Karlsbad in Anspruch. Anfang September 1819 eilte Friedrich Wilhelm III. ans Sterbebett Blüchers ins Schloss von Krieblowitz (Krieblowice). Am 12. September um 22 Uhr verschied er sanft.
Zum 40. Jahrestag der Schlacht an der Katzbach wurde dem großen Volkshelden Gebhard Leberecht von Blücher ein Mausoleum errichtet.

(Wolfgang Kunze)

PS: ‘Rangehen wie Blücher‘, also entschlossen handeln, energisch und unerschrocken vorgehen, sollte auch in unserer heutigen Zeit aktuell bleiben!

Literatur:
Dr. Frank Bauer, Gebhard Leberecht von Blücher, König und Vaterland, Potsdam 2010
(Die Kursiv geschriebenen Sätze sind aus der Schrift)

Tom Crepon, Leberecht von Blücher, Neues Leben, Berlin 1988