Artikel erstellt am: 1. April 2020

Wartenburg-Corona-Tagebuch – Es ist ein Morgen wie jeder andere

6:00 Uhr Abfahrt aus Wartenburg zur Arbeitsstelle in Lützen. Ich stelle fest, Corona hat auch Vorteile.
Auf den Straßen (B 2, A14 und A9) ist sehr viel weniger Verkehr. Das spart pro Strecke 10 – 15 Minuten. Die eingesparte Zeit kann man gut gebrauchen – z. B. um Klopapier für die Firmentoilette zu kaufen.

Aldi nix, Kaufland nix, Penny nix. Na dann halt morgen. Morgen wieder nix und übermorgen auch nix. Zur Sicherheit nehme ich einen 4er Pack Küchenrolle mit. Die Damen im Büro rollen die Augen. Warum bloß? Zu wenig Duft, zu hart, zu breit? Ich denke: Egal, besser als nix! Hauptsache Durchstechsicher! Und wenn nichts mehr da ist, nutzen wir eben die alte Tageszeitung.

Man(n) denkt sich, hat die Mehrheit der Menschen inzwischen einen Corona bedingten Klopapierkoller oder gibt es bei WhatsApp ein aktuelles Fetisch-Video, welches mir noch unbekannt ist?

Auf Arbeit ist im Grunde genommen alles wie immer. Nur das Händeschütteln wurde eingestellt, wir halten sehr viel mehr Abstand zueinander, der Paketbote unterschreibt jetzt selber, Mitarbeiter von Lieferanten arbeiten im Home-Office, fast jeder mit dem man spricht, macht sich Sorgen –egal ob um die Gesundheit oder die wirtschaftliche Zukunft.

Dann kommen Gedanken auf:
Wie lange hält dieses Kontaktverbot noch an? 
Wie viele kleine Unternehmen werden daran kaputtgehen?
Wie viele Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlieren?
Bekommen wir das alles wieder in den Griff und wenden wir es zum Guten?
Wird Politik und Wirtschaft aus der Krise Schlüsse ziehen und einiges ändern (z. B. mehr Medikamente, Schutzmasken und -bekleidung wieder in Deutschland produzieren lassen)?
Wird die Menschheit daraus lernen und vielleicht mal einen Gang zurückschrauben?

Anschließend gehen mir noch Fakten durch den Kopf, die weitere Fragen aufwerfen.
Wo kommen auf einmal die Milliarden und Billion her, die der Wirtschaft helfen sollen?
Waren es nicht die gleichen Typen, die vor wenigen Monaten keine 10 Milliarden hatten um die Grundrente einzuführen, von der Menschen, die immer gearbeitet haben, leben könnten?
Kaufe ich zukünftig noch bei Adidas, Deichmann, H&M und anderen Multis, die kürzlich noch für das letzte Geschäftsjahr Milliarden Gewinne verkündeten, sich dafür feiern ließen und jetzt total unmoralisch ein Gesetz ausnutzen wollen, das für den kleinen Mann als Mieterschutz in der Corona-Krise gemacht wurde? Allein deren Gedanke, dass man das doch machen könnte, ist verwerflich und bringt mich auf 180. Was sind das bloß für Unternehmer?

Feierabend, es geht zurück nach Wartenburg. Wieder 15 Minuten schneller als in Zeiten vor Corona.
Einsparung bei Hin- und Rückfahrt = 30 Minuten. Echt g….! Allerdings konnte ich diese Zeit nicht sinnvoll nutzen, denn ich war ja 45 Minuten auf der Jagd, der Jagd nach Klopapier.
Zuhause gebe ich einen kurzen Lagebericht zum Tagesverlauf, berichte über die Arbeit und auch darüber, dass ich 45 Minuten vergeblich damit vertan habe in diversen Kaufhallen Klopapier kaufen zu wollen.

Und bei der abendlichen „Sitzung“ stelle ich fest, kein Klopapier, keine Küchenrolle, keine Tempos. Sch….. ! Was nun? Also rufe ich lautstark nach der alten Zeitung, der eisernen aber harten Notreserve.  Und im gleichen Augenblick kommt die Verzweiflung auf – denn ich lese die tägliche Prawda auf dem Tablet.

Hoffentlich dauert mein täglicher Arbeitsweg bald wieder 30 Minuten länger!

(Ulrich Laimann)

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Wartenburg-Corona-Tagebuch – Es ist ein Morgen wie jeder andere

1. April 2020

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